Wissen Sie warum, Angela Merkel bei manchen Sitzungen selbst den Kaffee ausschenkt? Interessiert es Sie überhaupt? Sie vielleicht nicht…jedoch doch einige Journalisten so sehr, dass darüber sogar ein Artikel in der FAZ erschienen ist.

Können Sie sich das bei Donald Trump vorstellen? Oder dem geschassten Matthias Müller von VW? Undenkbar. Warum ist das so?

Weil es klassische Vertreter des vertikalen Kommunikationssystems sind. Und Frau Merkel nicht.

 

Mädchen spielen anders

In meinem letzten Post habe ich über dieses System berichtet. Und heute möchte ich Ihnen das horizontale Kommunikationssystem näherbringen. Wenn Sie eine Frau sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie sich in diesem System heimisch fühlen. Dann werden Sie bei Besprechungen dafür sorgen, dass möglichst jede Stimme gehört wird. Dann signalisieren Sie durch Lächeln Zugehörigkeit – insbesondere Ihren Mitarbeitern gegenüber. Dann kommen Sie schnell zur Sache, setzen sich liebend gerne mit inhaltlichen Themen auseinander und würden am liebsten dieses ganze zur Schaustellen und über sich und Ihre Erfolge reden, hinten runterfallen lassen. Wenn dem so ist, dann sind sie eine klassische Vertreterin des horizontalen Kommunikationssystems.

Deborah Tannen, Soziolinguistin aus USA, hat dieses System in den siebziger Jahren erforscht. Sie hat Mädchen beim Spielen beobachtet. Dabei ist ihr aufgefallen, dass Mädchen sich im Spiel anders verhalten als Jungs. Mädchen ändern Regeln ab, um ein Spiel zu verlängern. Unter Umständen sogar, um, mit Zustimmung aller, einen Sieger zu verhindern. Mädchen beziehen in einer Gruppe oft alle ein und möchten, dass alle zu Wort kommen – Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Mädchen scheint es also wichtig zu sein, dazuzugehören und sich mit dem Spiel an sich auseinanderzusetzen.

In diesem System sind die beiden Achsen Inhalt und Zugehörigkeit von höchster Bedeutung. Wenn diese bedient sind, geht es den Beteiligten erstmal gut und sie können sich auf die Sache konzentrieren.

Sie fragen sich jetzt vielleicht „Was hat das Ganze denn mit mir zu tun?“.

Es hat dann mit Ihnen zu tun, wenn Sie in einem Unternehmen in Deutschland arbeiten – denn in allen Unternehmen treffen praktisch immer das horizontale Kommunikationssystem, in dem sich Frauen mehrheitlich heimisch fühlen sowie das vertikale Kommunikationssystem, in dem viele Männer zu finden sind, aufeinander. Da Gesten und Mimik in jedem System eine jeweils unterschiedliche Bedeutung haben, kommt es oft zu Missverständnissen, wenn frau oder man darüber nicht Bescheid weiß.

Das was Inhalt und Zugehörigkeit für das horizontale System sind, sind Rang und Revier für das vertikale System.

 

Warum Frau Merkel den Kaffee ausschenken kann

Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass Angela Merkel Vertreterin des horizontalen Systems ist, dem Inhalt und Zugehörigkeit sehr wichtig ist, wird schnell deutlich, warum sie in Sitzungen, die auch noch in ihrem Büro stattfinden, den Kaffee ausschenkt.

Als Bundeskanzlerin hat sie das höchste Amt, das es in Deutschland zu vergeben gibt. Sie hat also den höchsten Status. Da sie mittlerweile praktisch als „Leader of the free world“ gilt, wird dies bei fast allen Begegnungen so sein. Wenn die Treffen auch noch auf deutschem Boden, im Bundeskanzleramt, in ihrem Büro stattfinden, befindet sie sich auch mitten in ihrem Revier. Als Vertreterin des horizontalen Kommunikationssystems wird sie jetzt darauf achten wollen, ihren herausragenden Status nicht noch zu betonen, sondern eher ihren Gesprächspartnern anzugleichen. Dies kann sie elegant durch das Ausschenken von Kaffee tun. Sie bedient sich hier einer dienenden Geste, die Wertschätzung ausdrückt und gleichzeitig signalisiert: „Ich bin wie du.“ Fast, zumindest. Da Frau Merkel einen so hohen Status hat, kann Sie es sich leisten, sich selbst herab zu stufen.

So wird nämlich solch eine dienende Geste im vertikalen System gesehen. Da jeder genau ihren Status kennt und diesen auch nicht angreifen kann, kann sie selbst ihren Status mindern, ohne an Gesicht zu verlieren.

Wäre Angela Merkel jetzt nicht Ranghöchste, sähe das anders aus. Das wissen die Vertreter des vertikalen Systems.

 

Das gilt es zu tun

Was bedeutet das jetzt für Sie konkret?

Es bedeutet, dass Sie sich, bevor Sie in eine Besprechung gehen, folgende Fragen stellen sollten:

  • Wie sind die Machtverhältnisse?
  • Welchem Kommunikationssystem ist die Mehrheit der Teilnehmer zuzuordnen?
  • Muss ich mit Angriffen rechnen?

Wenn die Machtverhältnisse geklärt und sehr stabil und Sie die Ranghöchste sind, kann es Ihnen durchaus gut zu Gesicht stehen, auch mal den Kaffee auszuschenken. Sollten Sie mehrheitlich von Vertretern/Vertreterinnen des horizontalen Systems umgeben sein, sowieso.

Sind jedoch die Mehrheit der Teilnehmer aus dem vertikalen System und wollen erst mal Rang und Revier geklärt haben und Sie haben nicht den höchsten Status, sieht die Sache anders aus. Insbesondere, wenn Sie mit Widersachern zu rechnen haben, sollten Sie sich den Griff zur Kaffeekanne gut überlegen. Denn eine gut gemeinte und an sich harmlose Geste von Ihnen wird möglicherweise von Ihrem Umfeld ganz anders interpretiert. Unter Umständen schießen Sie sich damit selbst ins Aus, da ihr Umfeld Sie nicht mehr ernst nimmt - schließlich haben Sie sich durch den Griff zur Kaffeekanne selbst heruntergestuft.

Es gilt also zu beachten: „Welche Wirkung hat mein Tun?“

Deshalb ist es durchaus sinnvoll sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich vergleiche das mit dem Lernen einer anderen Sprache. Wenn ich eine neue Sprache lerne, so hilft mir das, zu meinen mein (fremdes) Gegenüber zu verstehen und zum anderen auch mich besser verständlich zu machen. Dafür muss ich nicht meine Persönlichkeit aufgeben und ich werde auch dadurch nicht weniger authentisch. Im Gegenteil - bekomme mehr Handlungsmöglichkeiten und sorge dafür, dass ich besser verstanden werde.

Und das ist, aus meiner Sicht, äußerst viel wert.

Herzlichst

Ihre

Astrid Winkeler

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