Können Sie sich noch an das letzte Mal erinnern, an dem Sie so richtig ordentlich einen auf die Mütze bekommen haben?

Was war es denn? Ein Kollege, der Ihnen im Meeting verbal eine mitgibt, nach dem Motto „Was verstehst du schon davon?“ Der Chef, der Ihnen sagt, nur um Sie zu stärken natürlich, dass Sie unter Beschuss stehen und „andere“ an Ihrer Kompetenz zweifeln würden? Oder der Vorgesetzte, der süffisant grinst, während Sie am Flughafen vor ihm an der Sicherheitskontrolle die Jacke ablegen und vernehmen lässt, dass Sie ruhig noch mehr ausziehen dürften?

Kennen Si e das, meine Damen?

Dann darf ich Ihnen gratulieren. Warum? Denn wenn es Ihnen so schon mal ergangen ist, dann haben Sie höchstwahrscheinlich etwas sehr richtig gemacht. Sie haben korrekt gelesen.

Sie haben etwas sehr richtig gemacht.

Wie komme ich darauf?

Vielleicht haben Sie schon mal das Sprichwort gehört „Einen toten Hund tritt man nicht“. Und genauso verhält es sich auch mit Angriffen in Unternehmen. Und alles was ich oben beschrieben habe, waren Angriffe. Wenn Sie attackiert werden – und jetzt setzen wir mal voraus, dass Sie nicht eine völlige Niete in Ihrem Job sind – dann geschieht das oft, weil Sie etwas richtig gemacht haben. Weil irgendjemand von Ihnen Angst hat. Weil Sie jemandem gefährlich werden. Oder weil Sie Ihren Job so gut und mit solcher Leichtigkeit machen, dass ein anderer denkt „den hätte ich auch gerne“. Und dann gibt es natürlich noch den Klassiker: Der Vorgesetzte, der eine kompetente Mitarbeiterin sieht und befürchtet, dass Sie an seinem Stuhl sägt.

Sie werden also angegriffen, weil man Sie wahr- und ernst nimmt.

So richtig deutlich wurde mir das vor einigen Jahren. Ich wurde auf sehr unschöne Weise von einem Kollegen vor versammelter Führungsriege angegriffen. Leider war ich darauf überhaupt nicht vorbereitet und reagierte erstmal gar nicht. Im Anschluss fiel ich in ein Loch und suhlte mich in einer schönen Mischung aus Schuldgefühlen und Selbstmitleid. Schuldgefühlen, weil ich dem Kollegen erstmal glaubte, ganz nach dem Motto „Wenn mich jemand so angreift, muss ja was Wahres dran sein“. Selbstmitleid, weil ich doch zusammenarbeiten wollte und nicht Krieg führen.

Als erwachsene Frau ging ich einige Tage später auf den Kollegen zu, um die Sache zu klären. Im Vier-Augen-Gespräch machte der Kollege gerade so weiter – und hier fiel dann auch endlich bei mir der Groschen: dem Kerl ging es nicht um die Sache – der wollte mich nur fertig machen. Je hanebüchener seine Anschuldigungen wurden, umso deutlicher wurde das.

Letztendlich wurde der Vorfall zu einem großen Geschenk. Denn ich kapierte endlich, dass solche Vorfälle (leider) normal sind. Und je besser und erfolgreicher man wird, umso eher darf frau damit rechnen.

 

Ich habe ja schon öfters über das vertikale Kommunikationssystem, das von Deborah Tannen erforscht wurde,  geschrieben. Vertreter dieses Systems interessiert vor allem erst mal Rang und Revier. Um Rang wird „gerangelt“ – in dem man beispielsweise jemanden angreift und ihm „den Rang streitig macht“. Und Revier holt man sich, in dem man „Revier erobert“. Die Vertreter dieses Systems nehmen also solche Angriffe gar nicht unbedingt persönlich, sondern sehen das als normal an. Die Vertreter des horizontalen Systems, zu dem Frauen oft gehören, fassen solche Aktionen jedoch als sehr persönlich auf – und laufen damit Gefahr, sich im Laufe der Rangspielchen ziemlich aufzureiben.

Da der Großteil unserer Unternehmen von „Vertikalen“ geführt wird, halte ich es für wichtig, sich bewusst zu machen, dass Attacken kommen können. Das hat dann nichts mit der eigenen Persönlichkeit oder Kompetenz zu tun. Im Gegenteil – frau darf es durchaus als Kompliment nehmen. Und bei diesen Angriffen geht es auch nicht um Wahrheit – sondern einzig und allein darum, etwas zu finden, was den anderen aus dem Konzept bringt.

Bevor Sie sich also das nächste Mal selbst zerfleischen, weil Sie angegriffen wurden, klopfen Sie sich lieber mal auf die Schulter. Offenbar haben Sie etwas richtig gemacht und Sie sind aufgefallen. Wunderbar! Ganz nach dem Motto: Mitleid gibt’s umsonst – Neid muss man sich erarbeiten!

Und Angriffe auch!

Herzlichst

Ihre Astrid Winkeler

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