Die Förderung von jungen Frauen, die versuchen in der Wirtschaft Fuß zu fassen, ist mir ein besonderes Anliegen. Warum?
Weil ich selbst mal eine war. Weil ich weiß, mit wieviel Selbstzweifeln sich junge Studentinnen oft herumplagen. Weil ich mich noch gut daran erinnern kann, wie gerne ich Vorbilder gehabt hätte, denen ich auch mal die „dummen“ Fragen hätte stellen können. Und weil ich auch mein ganzes Studium gedacht hatte „Gleichberechtigung – alles auf bestem Wege in Deutschland“. Denn wer hatte die guten Noten an der Hochschule abgesahnt? Wer brachte die besseren Präsentationen und Vorträge? Wer hatte die interessanten Praktika? Die Studentinnen. Uns war überhaupt nicht bewusst, dass er hier ein Thema geben könnte.
Da habe ich dann im „richtigen“ Berufsleben festgestellt. Als nämlich klar wurde, dass für Frauen und Männer irgendwie andere Spielregeln gelten.
Ich erinnere mich noch an meine zweite Stelle, nach dem Studium. Mittlerweile einige Jahre Berufserfahrung in der Tasche, konnte ich mich gegen 150 Bewerber durchsetzen.
Die Abteilung – damals Produktmanagement – war relativ neu, alles junge Leute zwischen 30 und 45. Alle hochmotiviert. Alles Ingenieure. Ich kam als einzige BWLerin zuletzt ins Team.
Mein Chef kündigte mich offiziell mit einer Email an, in der mein Werdegang, inkl. Studium, sowie mein Aufgabengebiet kommuniziert wurde.
Dann ging’s los: Kollegen kamen und baten darum, dass ich Ihnen Flüge buchen sollte. Führungskräfte baten mich, dass ich für Ihre Besprechungen Beamer reservieren und Ausdrucke machen solle, da ihre Assistentin gerade nicht da wäre. Ich landete auf dem Assistentinnen-Verteiler der Firma – denn, wie mir von der Assistenz der Geschäftsführung erklärt wurde, wäre ich ja auch genau das.
Der Gipfel war, als ich bei unserer Weihnachtsfeier mit mehreren Kollegen und meinem Chef an einem Stehtisch stand und der Vertriebsleiter mich fragte: „Na, Frau Winkeler, wie gefällt’s Ihnen denn als Assistentin von Herrn XY?“ Ich schaute erstmal sprachlos meinen Vorgesetzten an, der bis dato immer geleugnet hatte, dass es hier ein Problem für mich gab.
Ab da wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Aber auch, dass ich etwas bei mir ändern musste. Nämlich ich musste erst mal klar sein, was zu meinen Aufgaben gehörte und was nicht. Und es lag auch an mir, meinen Kollegen (und auch Kolleginnen) freundlich jedoch bestimmt Absagen zu erteilen, wenn etwas nicht in meinen Aufgabenbereich gehörte. Auch auf die Gefahr hin, dass mich dann jemand als nicht so freundlich wahrnehmen würde oder vielleicht sogar sauer wäre.
Das war auch das, was mir am schwersten fiel. Ich wollte ja gemocht werden und es viel mir sehr schwer „Nein“ zu sagen. Ich habe festgestellt, dass Frauen oft dieses Problem haben.
Für Mädchen und Frauen ist das soziale Umfeld sehr wichtig. Das fängt schon im Kindesalter beim Spielen an. Deborah Tannen, Professorin an der Georgetown University in den USA, hat hier umfangreiche Studien durchgeführt, speziell dazu, wie Geschlecht unsere Kommunikation beeinflusst. Wenn Mädchen spielen, dann geht es ihnen darum, dass alle gleich sind. Spielregeln werden sogar während des Spielens abgeändert, damit es keinen Gewinner gibt und das Spiel möglichst lange weitergeht. Jungs gehen beim Spielen eher in den Wettbewerb und rangeln die Hierarchie aus. Wenn Jungs nicht aushandeln können, wer der Anführer ist, hören sie schneller auf zu spielen.
Durch dieses Verhalten werden Mädchen gut darin, Stimmungen bei anderen zu erkennen. In unserer Gesellschaft wird von Ihnen erwartet, dass sie für gute Stimmung sorgen und dafür, dass alle glücklich sind.
Wenn man so aufgewachsen ist, kann man schon verstehen, dass schwerfallen kann, einem Kollegen zu sagen, dass er bitte seinen Beamer selber besorgen möchte und seine Dokumente gleich selbst scannen kann. Dann fühlt man sich wie eine echte Zicke und denkt „Ich kann den jetzt doch nicht hängen lassen?“. Dabei fragt sich dieser liebe Kollege ja auch nicht, ob Sie Ihre Arbeit schaffen, wenn er Ihnen jetzt noch solche Unterstützungsaufgaben anhängt.
Warum ist das überhaupt wichtig? Was ist so schlimm daran, für eine Assistentin gehalten zu werden? Bevor Sie sich jetzt fragen, ob ich Assistentinnen diskriminiere, darf ich Sie beruhigen. Ich habe schon viele äußerst kompetente Assistentinnen kennengelernt, die praktisch den Job ihrer Chefs gemacht haben und diese sich ganz auf die Repräsentanz konzentrieren konnte. Assistentinnen, die die Projektleitung für millionenschwere Projekte innehatten. Und ich habe auch erlebt, dass diese Assistentinnen mit einem Hungerlohn abgespeist wurden. Dass es eben keinen Dienstwagen gab, obwohl jeder Mann im Umfeld, mit derselben Verantwortung, natürlich einen hatte. Und dass diese Assistentinnen auch ganz schnell ihren Job los waren, wenn der Vorgesetzte in Ungnade gefallen war und das Unternehmen verlassen musste – nur, dass ihm der Abgang versüßt wurde und ihnen eher nicht.
Wenn eine Frau Assistentin werden möchte – nur zu. Ich finde es lediglich bezeichnend, dass es so gut wie keine männlichen Assistenten gibt – wenn, dann heißen Sie „Assistent der Geschäftsleitung“ bzw. „Referent“ und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann man davon ausgehen, dass dieser Referent eben, nach einigen Jahren loyalen Dienstes, auch eine entsprechende Position angeboten bekommt, die ganz klar als Aufstieg zu werten ist. Weiblichen Assistenten passiert das jedoch praktisch nie. Und ich glaube, dessen muss sich Frau klar sein. Eine Assistentin leistet Unterstützung. Sie sorgt dafür, dass alles läuft. Aber Sie hat in der Regel nicht den Hut auf und sie trägt auch nicht für alle sichtbar die Verantwortung. Das heißt auch, sie hat offiziell keine Entscheidungsmacht und sie erhält auch nicht die entsprechende Kompensation. Frau muss sich klar sein, ob sie das will.
Da Sie einen Blog über Frauen und Führung lesen, gehe ich davon aus, dass Sie auch die entsprechenden Positionen, mit allen Vor- und Nachteilen möchten. Und dann kann ich nur sagen – hüten Sie sich vor der Assistentinnen-Falle. Beziehungsweise machen Sie sich bewusst, dass es Ihre Aufgabe ist, Ihrem Umfeld deutlich zu machen, was Ihre Aufgaben sind und was nicht. Am Anfang sind Sie vielleicht noch etwas holprig darin, aber mit der Zeit wird Frau durchaus eloquent darin.
Wie ging es bei mir weiter? Nun – genau so. Als mir klar war, dass ich mein Umfeld wissen lassen musste, was sie von mir erwarten konnten, ging es sehr schnell. Als zwei Kollegen kamen und ein Zugticket gebucht haben wollten, konnte ich in der Situation noch nicht gleich reagieren. Nach kurzer Rücksprache mit meinem Chef, der mittlerweile sensibilisiert war, schrieb ich eine Email an die Kollegen, mit einer Anleitung, wie sie ihre Zugtickets im Internet selbst bestellen konnten. Beim Absenden schlug mir das Herz noch bis zum Hals, aber die Herren kapierten schon ziemlich schnell, dass die Tür jetzt nicht mehr offen war. Und hatten auch gar kein Problem damit. Sie hatten es halt probiert und als ich dann klarmachte, dass ich diese Rolle nicht spielen würde, wurde das auch gleich akzeptiert. Wir arbeiteten noch Jahre lang prima zusammen.
Und Sie können das auch!
Viel Spaß beim Üben!
Ihre Astrid Winkeler
P.S. Haben Sie bereits Erfahrungen in dieser Richtung gemacht? Fallen Ihnen bestimmte Situationen gerade schwer? Oder kennen Sie einen besonders guten „Kniff“? Dann schreiben Sie mir!