Werden Sie in Besprechungen oft unterbrochen? Fällt Ihnen jemand öfter mal ins Wort? Und ist es in der Regel ein Mann?
Regt Sie das auf? Oder sagen Sie sowieso wenig bis gar nichts in Besprechungen? Kommen Sie vielleicht gar nicht zu Wort?
Also, ich muss sagen, dass ich das Problem nicht habe. Ich gehöre (leider) zu der Sorte Mensch, die eher andern Mal ins Wort fällt und sich zügeln muss, andere ausreden zu lassen. Von daher scheine ich in dieser Hinsicht keine „typische“ Frau zu sein.
Ist es überhaupt ein Problem, unterbrochen zu werden? Nun, man könnte ja meinen, nein. Frauen trösten sich oft damit, dass sich sagen „Naja, dann kommen eben heute die Vielschwätzer zu Wort. Macht ja nix. Ich weiß ja was ich kann – und die anderen auch.“
WRONG! Ganz falsch, muss ich da leider sagen.
Leider wird Ihnen niemand Ihre tolle Arbeit zuschreiben, wenn Sie nicht auch darüber reden. Tut mir leid, meine Damen. Und es wird Sie auch niemand wahrnehmen, wenn Sie sich nicht mit Ihren Ideen zu Wort melden. Na klar, es gibt immer die eine Chefin, die wirklich alle ihre Mitarbeiterinnen im Blick hat und weiß, was jede leistet – nur können Sie nicht davon ausgehen, dass das die Regel ist.
Also – was machen wir nun mit dem Thema „Unterbrechen“ und bei Besprechungen zu Wort kommen?
Nun, Deborah Tannen, Professorin für Soziolinguistik an der renommierten Georgetown-Universität in den USA, hat folgendes festgestellt: Jungs unterbrechen andere öfters als Mädchen. Das Interessante jedoch: Jungs unterbrechen nicht nur Mädchen – Jungs unterbrechen auch Jungs.
Der Unterschied scheint zu sein, dass Mädchen sich durch den Unterbrecher stören lassen und aufhören zu sprechen, während Jungs, die unterbrochen werden, einfach weiterreden.
Ich wage also zu behaupten, dass das Unterbrechen, gar nicht immer „böse Absicht“ ist und man den Frauen unbedingt das Wort entziehen will. Sondern dass evtl. durch unsere Sozialisierung Frauen eine Unterbrechung für so unhöflich halten, dass sie aufhören zu sprechen, während Männer das als etwas Normales halten und sich deshalb noch lange nicht stören lassen.
Was können wir daraus lernen?
Nun – nehmen Sie das nächste Mal die Unterbrechung sportlich – und reden Sie weiter! Lassen Sie sich nicht stören. Reden Sie unbeirrt weiter. Machen Sie vielleicht noch einen Move Talk dazu – eine Geste. Beispielsweise können Sie dem Unterbrecher die Handfläche entgegenstrecken und noch ein „Stopp!“ dazu werfen. Und dann gelassen weitersprechen. Oder Sie machen dieselbe Geste und sagen „Jetzt rede ich!“.
Probieren Sie es aus! Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Kerl nicht ein zweites Mal versucht, Sie zu unterbrechen. Und falls ja: machen Sie wieder das gleiche.
Ich glaube, es gehören halt immer zwei dazu. Einer der unterbricht und einer der es mit sich machen lässt.
Und nehmen Sie sich in der nächsten Besprechung vor, bei den ersten drei zu sein, die etwas sagen. Lernen Sie von den Herren – die wiederholen auch einfach mal nur, was der Chef gesagt hat und signalisieren so Ihre Zustimmung. Den Chef freut es und der Kollege kam zu Wort. Ist das jetzt so schlecht? Wir Frauen müssen nicht immer denken, wir müssten das Rad neu erfunden haben, bevor wir mal den Mund aufmachen. In unseren Beziehungen nutzen wir ja auch die Sprache, um Beziehungen zu pflegen. So ein Meeting ist manchmal nichts anderes als die kleine Theateraufführung am Nachmittag – da wird dann mal getestet, wer denn wirklich seine Bühnenrolle einnehmen will.
Deshalb – nicht so zimperlich!
Berichten Sie mir, wie es geklappt hat.
Herzlichst
Ihre Astrid Winkeler