Auch auf die Gefahr hin, dass ich als Nestbeschmutzerin gelte, möchte ich heute über ein Klischee schreiben – das Klischee, dass es sehr schwierig sei, mit (mehreren) Frauen zusammen zu arbeiten.

 

Der Impuls dazu kommt von einer Leserin, die mir folgendes schrieb:

 

„Ein Thema, bei dem mich Ihre Meinung brennend interessieren würde, ist, warum sich Frauen innerhalb einer Abteilung so unglaublich anzicken müssen. Vor allem dann, wenn es eine REINE Frauenabteilung ist. Außer Ihrer Meinung würde mich natürlich dann auch interessieren, wie eine Führungskraft in dieser Situation am besten agiert.“

 

Sehr gerne!

 

 

Ich habe schon mehrere Abteilungen geleitet, die nur aus Frauen bestanden und ich bin in diesem Rahmen auch immer wieder gefragt worden, ob das denn gut ginge.

 

Ich war auch vor meiner Zeit als Führungskraft Teil eines reinen Frauenteams und auch mal einzige Frau in einem reinen Männerteam.

 

Aus diesen Erfahrungen schöpfen sich meine Erkenntnisse und diese sind folgende:

 

Ja – den „Zickenkrieg“ gibt es leider wirklich. Und nein – es gibt ihn nicht zwangsläufig, nur weil Frauen zusammenarbeiten.

 

Warum gibt es überhaupt Zickenkrieg und was genau ist das?

 

Nun, auch hier dienen zur Erklärung wunderbar die Erkenntnisse von Deborah Tannen und Ihre Einteilung in vorrangig vertikal Kommunizierende und horizontal Kommunizierende.

 

Um kurz zusammen zu fassen:

 

Vertikal Kommunizierende sind zuerst einmal an Rang und Revier interessiert und gehen erst nach Klärung dieser Fragen zu Sachthemen über. Wenn Angriffe durch Vertikale geschehen, dann vorrangig gut wahrnehmbar in der Öffentlichkeit und bewusst offensiv. Oft werden dann bewusst Rang- und Revierspiele ausgetragen.

 

Horizontal Kommunizierende interessieren sich vorrangig für Inhalt und Zugehörigkeit und weniger für Rang und Revierfragen. Angriffe gibt es auch hier – und die Achse, auf der angegriffen wird, ist die der Zugehörigkeit.

 

Und dann sind wir schon mittendrin im Zickenkrieg. Denn Angriffe sehen hier folgendermaßen aus (nur ein paar Beispiele):

 

  • Ausschluss aus der Gruppe
  • Gespräche verstummen, wenn die Person, die angegriffen wird, den Raum betritt
  • Streuen von Gerüchten
  • Verleumdungen bei Vorgesetzten
  • Bewusstes Ablehnen von Einladungen/Geschenken etc.

 

 

Die Person, die angegriffen wird, wird sozusagen kaltgestellt. Ich glaube, es gibt kaum eine Frau, die das als Mädchen nicht schon mal erlebt hat. Wenn einem das im Berufsleben passiert, denkt man plötzlich, man steht wieder auf dem Schulhof. Ja, leider fallen wir manchmal in alte Muster zurück.

 

Warum ist das so?

 

Nun – hier meine Theorie (die nicht wissenschaftlich fundiert ist): Frauen haben seit Jahrtausenden faktisch weniger offizielle Macht in unserer Gesellschaft. Es ist gar nicht so lange her, da durften Frauen weder Eigentum besitzen noch konnten sie einen Beruf ausüben und waren immer von den Ressourcen anderer abhängig.

 

Offene Aggression ist nun jedoch auch das Privileg der Mächtigen. Jedoch – nur weil jemand keine Macht hat, heißt das nicht, dass er nicht auch Wünsche und Ziele hat. Nur muss er diese dann eben eher weniger offensichtlich verfolgen – sozusagen im Untergrund. Man kann auch sagen im Hinterhalt. Das hört sich vielleicht jetzt etwas fies an, ich denke, jedoch kommt hierher auch das Klischee von der „hinterhältigen“ Frau. Nicht, dass Männer dazu nicht auch fähig wären. Ich glaube, da geben sich beide Geschlechter nichts – nur glaube ich, dass sich Frauen in der Vergangenheit eher weniger offene Angriffe leisten konnten.

 

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass ein Großteil der Frauen vertikal kommunizierend ist und somit Inhalt und Zugehörigkeit die wichtigen Achsen sind, dann wird klar, worauf sich Angriffe fokussieren werden:

 

Ich kann natürlich jemanden inhaltlich angreifen – nur dann muss ich eben auch inhaltliche Argumente parat haben. Und da wird es ja dann oft schwierig.

 

Und wenn ich das eben nicht habe (und mich vielleicht auch deswegen unterlegen fühle und nicht mächtig genug) wird dann eben auf der Achse „Zugehörigkeit“ angegriffen.

 

Und das wird verdeckt gemacht. Nämlich so, dass mir niemand was vorwerfen kann.

 

Ich habe das beispielsweise auch relativ zu Beginn meiner Berufslaufbahn erlebt:

 

Ich arbeitete in einem reinen Frauenteam mit zwei Kolleginnen. Eine Kollegin war seit 20 Jahren im Unternehmen. Die andere Kollegin war ein Familienmitglied des Inhabers, die vom Inhaber gezwungen wurde, wenigstens halbtags zu arbeiten und offensichtlich lieber etwas anderes gemacht hätte. Jetzt kam ich dazu - jung, hochmotiviert und super naiv. Meine Hauptnaivität lag darin, dass ich erstmal alles für bare Münze nahm, was mir jemand erzählte – und, dass ich wirklich dachte, hier wolle jeder kooperieren und zusammenarbeiten. Jeder hatte im Team seinen eigenen Aufgabenbereich – ich war ganz begeistert von meinem.

 

Was ich nicht wusste, war, dass der Inhaber seinem Familienmitglied vorhielt, wie motiviert die Frau Winkeler doch sei im Gegensatz zu ihr. Ganz schlecht!!!

 

Zudem war mein Aufgabengebiet international und ich war für die Messeplanung von 18 Messen im Jahr verantwortlich. Das bedeutete auch, dass ich immer wieder auf Reisen war. Noch schlechter!!!

 

Ein wunderbarer Nährboden für Neid also. Und es kam, wie es kommen musste – meine beiden Kolleginnen verbündeten sich gegen mich. Das äußerte sich dann so, dass über mich Gerüchte gestreut wurden, ich wurde beim Chef angeschwärzt und ich musste mich rechtfertigen – wobei mir nichts Konkretes vorgeworfen wurde, sondern nur Allgemeinplätze. Ich gab auch ein prestigeträchtiges Projekt an das Familienmitglied ab. Das der Neid auf jemand anderen zusammenschweißen kann, erlebte ich auch: meine Kolleginnen begannen sogar zusammen einen Schwimmkurs, um mir dann davon erzählen zu können – ein klassisches Ausschlussmanöver.

 

Das Ziel war auf jeden Fall, mich „klein“ zu machen. Ich ging damals zu meinem Vorgesetzten und bat ihn um Unterstützung. Und stellte dann auch fest, dass er mir diese zwar unter vier Augen zusicherte, jedoch nicht im Gespräch mit den Kolleginnen oder dem Inhaber. Und da wusste ich auch dann, dass ich in so einem Laden nicht weiterarbeiten wollte.

 

Ich zog meine Schlüsse, bereitete meinen Wechsel vor und machte solange gute Miene zum bösen Spiel. Das bedeutete, dass ich lernte, nur sehr strategisch von mir zu erzählen, damit man nichts gegen mich verwenden konnte. Ich hielt meine Freude über Gelungenes zurück und „jammerte“ auch mal eher, um ja keinen Neid aufkommen zu lassen.

 

Das Ganze hatte dann auch den gewünschten Effekt: meine Kolleginnen hatten das Gefühl, mich klein genug zu haben und ließen dann auch von Ihren Machenschaften wieder ab.

 

Der Schwimmkurs wurde wieder aufgegeben und das prestigeträchtige Projekt, das sehr arbeitsaufwändig war, wurde dann wieder heimlich, still und leise mir übertragen.

 

Ich lernte, meine Klappe zu halten und kündigte dann nach 24 langen Monaten mit Freude, um einen Job zu beginnen, in dem ich einen schlappen Tausender pro Monat mehr verdiente. Wie heißt es so schön: Revenge is a dish best served cold – Rache wird am besten kalt serviert.

 

 

Als ich dann Führungskraft wurde, übernahm ich eine Abteilung, die auch nur aus Frauen bestand. Und auch hier machte ich sehr gemischte Erfahrungen. Zum einen Frauen, die kompetent waren und kooperieren wollten. Und zum anderen Frauen, die intrigierten.

 

Meiner Meinung nach können es Frauen, die Führungskraft werden, hier besonders schwer haben. Besonders, wenn sie auch noch vorher Kollegin waren. Nicht umsonst gibt es Seminare „Vom Kollegen zum Vorgesetzten“, denn das ist eine besondere Situation.

 

Insbesondere das horizontale Kommunikationssystem tut sich hier schwer. Dr. Peter Modler nennt es denn horizontalen Reflex – der Nagel, der heraussteht, muss hineingeschlagen werden. Dieses System will, dass alle gleich sind. Wenn jetzt eine die Vorgesetzte wird, ist das für manche Mitglieder nur schwer aushaltbar. Da gibt es dann auch irrsinnige Verhaltensweisen – gestandene Frauen, die es nicht aushalten können, eine Vorgesetzte zu haben, jedoch Männer in höheren Positionen vergöttern.

 

 

Ich habe jedoch auch andere Erfahrungen gemacht mit dem Wechsel in ein anderes Unternehmen: ein wunderbares Team, voller hochkompetenter Frauen, die mit Freude kooperierten und bei dem es null Zickereien gab. Wirklich null.

 

Was war passiert?

 

Nun – mehrere Sachen.

 

Zum einen konnte ich mir dieses Team zusammenstellen und hier schon auf die Eigenschaften achten, die mir wichtig waren.

 

Und zum anderen habe ich von Anfang an klargestellt, welche Verhaltensweisen bei mir gehen und welche nicht. Und zum Beispiel gibt es bei mir kein Anschwärzen und Gerüchte streuen.

 

Wer etwas über jemand anderen sagt, muss auch dann von Angesicht zu Angesicht dazu stehen.

 

Lügen haben bei mir Konsequenzen. Nicht zu kooperieren auch.

 

Ich habe einen sehr kooperativen Führungsstil und in meinem Team hat jeder viel Freiheiten. Wenn sich jedoch unkooperativ dem Team gegenüber verhalten wird, dann bin ich auch bereit, diese Freiheiten einzukassieren – denn es handelt sich dabei auch um Privilegien.

 

Und das ist wahrscheinlich die größte Änderung, die ich vorgenommen habe.

 

Ich glaube, das größte Problem ist, dass Führungskräfte das Verhalten oft nicht wahrnehmen, weil die Aggressionen im Untergrund passieren. Frauen haben hier Vorteile – weil Sie dafür oft feinere Antennen haben.

 

Sollten Sie selbst Zickenverhalten in Ihrer Abteilung feststellen, wäre mein Rat folgender:

 

  • Führen Sie viele Einzelgespräche und versuchen Sie, sich ein Bild von der Situation zu machen
  • Sammeln Sie Beweise (Fakten)
  • Stärken Sie der Person, die Zielperson für die Aggression ist, den Rücken in Einzelgesprächen
  • Ermutigen Sie sie, bewusst Beziehungen zu anderen im Unternehmen aufzubauen, die ihr wohlgesonnen sind
  • Falls Sie handfeste Beweise haben, konfrontieren Sie die Aggressorin und drohen Sie Konsequenzen an, die Sie auch durchziehen
  • Erarbeiten Sie in einem Teamworkshop (ggf. mit Unterstützung durch eine erfahrene Moderatorin) Werte und Verhaltensweisen, nach denen sich das Team verhalten will
  • Sprechen Sie im Team offen an, welche Verhaltensweisen Sie dulden und welche nicht
  • Achtung: Sie können jedoch viele dieser Aggressionen nicht in einem Gespräch klären – da werden Sie oft Aussagen erhalten wie „Nö – das haben Sie falsch verstanden.“ oder ähnliches.

 

 

Was ist, wenn Sie selbst Betroffenen sind?

 

Nun, auch das gibt es. Und hier gilt prinzipiell dasselbe. Vor allem:

 

  • Suchen Sie sich Verbündete
  • Dokumentieren Sie alles
  • Sagen Sie der Aggressorin ganz klar, was Sie von ihr erwarten (bleiben Sie bei Fakten. Mit „Sie schauen so komisch, wenn ich den Raum betrete.“ können Sie nicht punkten)
  • Bauen Sie im Unternehmen Ihr Netzwerk auf und sprechen Sie bewusst über Ihre Erfolge (damit nicht nur Ihre Feinde über Sie sprechen)

 

 

Und ganz wichtig: Machen Sie sich bewusst, dass Zickenkrieg oft von Frauen betrieben wird, die sich in einer für Sie selbst (zu) schwachen Position befinden oder die Angst haben, eine machtvolle Position zu verlieren. In der Regel hat es nichts mit Ihnen zu tun – Sie sind nur Projektionsfläche.

 

Deshalb – wenn Ihnen das passiert, ist das zwar unangenehm, aber Sie können auch Stolz sein – denn einen toten Hund tritt man nicht.

  

Herzlichst

Ihre Astrid Winkeler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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