Letztens musste ich in meiner Mittagspause richtig lachen. Da las ich nämlich einen Bericht über Yoshiro Mori, den Vorsitzenden des Organisationskommittees der Olympischen Spiele in Tokyo.

 

Herr Mori, der übrigens auch bereits japanisches Staatsoberhaupt gewesen ist, machte Schlagzeilen, mit seinen Aussagen, dass Besprechungen sich hinziehen würden, wenn viele Frauen dabei wären, da diese Zuviel reden würden.

 

Ich finde das, ehrlich gesagt, köstlich. Denn wenn etwas der Fall ist, dann das krasse Gegenteil.

 

Meine Erfahrung ist, dass viele Männer sich sehr gerne reden hören, während die meisten Frauen in der Regel dann sprechen, wenn sie was zu sagen haben.

 

Nur haben Sie oft ein Problem, überhaupt zu Wort zu kommen.

 

Und das sind nicht nur meine subjektiven Erfahrungen – das ganze wurde bereits wissenschaftlich untersucht.

 

Beispielsweise beschreibt Deborah Tannen, Soziolinguistin, eine Studie, bei der sieben Besprechungen mit Mitarbeitern einer Universität, untersucht wurden.

 

Durch die Bank sprachen die Männer öfter, bis auf eine Ausnahme, und länger, ohne Ausnahme, als die Frauen. Der längste Kommentar einer Frau war immer noch kürzer als der kürzeste Kommentar eines Mannes.

 

Und genau das stelle ich sowohl im beruflichen wie auch im politischen Kontext fest. Beispielweise bin ich Gemeinderätin in einem kleinen Ort. Auch in diesem Gremium sprechen in der Regel die Männer als erste und als längste. Es kommt oft vor, dass während einer Sitzung keine der Frauen, auch ich, einen Redebeitrag gemacht hat. Jetzt könnte man sagen, „Ja schlafen die alle vor sich hin?“. Mitnichten. Es gibt auch Männer, die wenig in diesen Sitzungen sprechen.

 

Jedoch scheinen zwei Dinge am Werk zu sein: Frauen reden in der Regel, um in einer Sache voranzukommen. Männer reden jedoch oft, um Kämpfe auszutragen oder Status zu erlangen. Wenn alle Argumente ausgetauscht sind, man ggf. die Mehrheiten bereits zusammen hat, oder man beispielsweise davon ausgehen kann, dass die Abstimmung sogar einstimmig ausfallen wird – da fragt man sich als Frau schon „Warum soll ich da noch meinen Senf dazugeben?“. Ich stelle oft fest, dass das die Männer offensichtlich anders sehen. Mein Vater, der 32 Jahre Bürgermeister war, hat dazu einen Spruch: „Es wurde alles bereits gesagt. Nur noch nicht von jedem.“

 

Auch wissen Frauen instinktiv, dass es Ihnen negativ zugeschrieben wird, wenn sie „zu viel“ in Anspruch nehmen: bspw. Platz oder auch Redezeit. Dann werden sie als zu dominant wahrgenommen und das widerspricht wieder der Rolle, die wir in der Gesellschaft Frauen zusprechen: fürsorglich, für andere sorgend, andere unterstützend – aber bitte nicht Macht für sich beanspruchen.

 

Zum Beispiel ging es mir so kürzlich in einer Gemeinderatssitzung. Jetzt muss man wissen, dass man in so einer Sitzung nicht einfach darauf los reden kann, sondern man erst sprechen darf, wenn einem von der Sitzungsleitung das Wort erteilt wurde. In unserem Fall gab es Redebeiträge von mehreren Mitgliedern, die sich dann zu einem Wortgefecht entfachten. Das ging eine Weile, irgendwann erteilte mit die Sitzungsleitung, unser Bürgermeister, das Wort. Ich hörte noch den beiden Kollegen einige Sekunden zu, dann nahm ich mein Mikro und sagte „Jetzt bin ich dran.“ und fuhr mit meinem Beitrag fort.

Bezeichnenderweise meldete sich daraufhin ein weiterer Gemeinderat, um mich unter anderem zurechtzuweisen. Ich hätte kein Recht, das Rederecht der anderen zu unterbinden. Daraufhin meldete ich mich wieder und erklärte ihm, dass mir das Rederecht erteilt, nur dieses von den anderen nicht respektiert worden war.

Was ich hier sehr bezeichnend finde ist, dass „die Frau“ zurechtgewiesen wurde, er jedoch für seinen Kollegen, der „rumpolterte“ kein Wort des Tadels hatte.

 

Ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir deshalb so wenig Frauen in Führungspositionen und in offiziellen Gremien haben. Für Frauen sind diese Sitzungen oft nicht sehr erstrebenswert. Zum einen gibt es viele langatmige Diskussionen, zum anderen werden sie öfters unterbrochen und sie haben Schwierigkeiten sich Gehör zu verschaffen. Tun sie es dann, dann werden sie schnell als zu dominant und aggressiv verschrien.

 

Wie eine Freundin kürzlich zu mir sagte: „Kein Wunder, dass sich so wenig junge Leute finden, die sich dafür aufstellen lassen wollen. Wer hat da schon Lust drauf?“

 

Also, was tun?

 

Nun, meine Damen, sie würden ja einen Madame Boss Beitrag nicht lesen, wenn es Ihre Art wäre, die Dinge einfach so hinzunehmen.

 

Deshalb ist hier mein Rezept, um die Sache zu ändern:

 

  • Wenn Ihnen jemand mal um die Ohren schlägt „Frauen würden in Meetings zu viel reden“ können Sie jetzt selbstbewusst kontern. Wenn Sie es im High Talk versuchen wollen, haben Sie jetzt Zahlenmaterial, das Sie argumentativ nutzen können. Wenn Sie im Basic Talk kontern wollen, dann können Sie das gelassen tun mit einem „Falsche Info!“ (langsam ausgesprochen und gerne 1-2 Mal wiederholen – denn die Typen, die solch ein Zeug von sich geben, die sind eh wahrscheinlich von Ihrer Intelligenz eingeschüchtert und zitieren deshalb so einen Schwachsinnn. Da darf Ihre Antwort dann ruhig für die einfachen Gemüter verständlich sein.)

 

 

  • Machen Sie sich bewusst, dass solche Taktiken oft angewendet werden, um Sie mundtot zu machen. Um auf Herrn Yoshiro Mori zurückzukommen: Der Herr hatte natürlich eine Absicht, die er mit seinen Aussagen bezweckte – er wollte damit die Pläne durchkreuzen, den Frauenanteil im Vorstand des OK von 20 auf 40 Prozent zu erhöhen. Es ging ihm also vor allem um Macht und darum, diese nicht mit „noch mehr“ Frauen teilen zu müssen. Deshalb sollten Sie sich immer fragen: Was ist die Absicht dahinter?

 

 

  • Suchen Sie sich Verbündete! Jede erfolgreiche Frau braucht enge MitstreiterInnen, die ihr den Rücken stärken und bei denen sie sich auch einfach mal (sorry!) auskotzen kann. Das ist wichtig und nach einem guten Gespräch kann man oft in der Regel auch über die Absurdität, die einem manchmal in Besprechungen entgegenschlägt, lachen.

 

 

  • Machen Sie sich bewusst, dass Sitzungen wichtig sind! Das ist die öffentliche Bühne, auf der Sie stehen – sei es im Business oder in der Politik. Wenn Sie sich zurückziehen, können Sie Ihre wichtigen Erfahrungen nicht einbringen. Natürlich macht es keinen Spaß, sich dumme Sprüche anzuhören. Aber nur durch aktive Teilnahme werden Sie zu Veränderungen beitragen.

 

 

 

Und wenn mir etwas in den letzten 25 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit bewusst geworden ist, dann folgendes: Wir brauchen Frauen in allen entscheidenden Gremien! Denn Frauen machen oft völlig andere Lebenserfahrungen als Männer und diese Erfahrungen müssen in alle Entscheidungen einfließen.

 

Schließlich stellen wir in Deutschland 50,65% der Gesellschaft! Das sollte sich auch bei allen Entscheidungen abbilden.

 

Deshalb meine Damen: Rein ins Meeting! Wir brauchen Sie!

 

Herzlichst

Ihre Astrid Winkeler